Meditations- und Studiengruppe

Unsere Gruppe besteht auf Initiative von Dharmameisterin Man Cheh seit September 2005 mit dem Ziel, Erfahrungen mit der Meditation (chin.: Chan, jap.: Zen) zu machen sowie uns grundlegende Kenntnisse der Lehre Buddhas anzueignen. Dabei beschäftigen wir uns sowohl mit der Klärung wichtiger Begriffe, wie Leerheit, Karma, Buddhanatur oder Nirvana, als auch mit der Geschichte des Buddhismus und seinen verschiedenen Ausprägungen, damit wir wenigstens intellektuell verstehen, worum es ¨¹berhaupt geht.

Manche Unzufriedenheit und manches Missverständnis d¨¹rfte auch darauf zur¨¹ckzuf¨¹hren sein, dass der Einstieg in die Lehre Buddhas häufig primär emotional und in gewisser Weise naiv erfolgt. Es wäre jedoch hilfreicher, wenn mehr Wert auf die Auseinandersetzung mit den buddhistischen Grundlagen gelegt w¨¹rde und zunächst eine längere Phase der Annäherung erfolgte. So könnte beispielsweise die all zu enge Bindung an Personen dadurch vermieden werden, dass man sich vergegenwärtigt, dass das eigentliche und entscheidende Zufluchtobjekt die Lehre ist, das Dharma, nicht Personen. Es wäre durch diese Einsicht sicherlich einfacher, persönliche Affinitäten und Aversionen nicht zu ¨¹bertreiben.

Vorstellungen, dass real existierende buddhistische Gruppen, Zentren und Organisationen Eilande der Heiligen und der Harmonie sowie idyllische Zufluchtsorte vor der Welt sind, treten wahrscheinlich vor allem dann auf und f¨¹hren zu ¨¹bertriebener Unzufriedenheit und Enttäuschung, wenn die realitätsbezogene und die Realität ohne Zutaten direkt analysierende und erfassende Lehre Buddhas nur in Teilaspekten, jedoch nicht in Ihrer Vollständigkeit beachtet wird.

Dies bedeutet nat¨¹rlich nicht, dass wir nicht in unserer alltäglichen Praxis mehr Wert auf ein harmonisches Zusammenleben, auf eine bessere Kommunikation mit unserer Umgebung und unseren Partnern legen sollten.

Eine andere Schwierigkeit, auf die wir mit der Studiengruppe eingehen möchten, bildet die Tendenz, buddhistische Begriffe mit gleich lautenden oder ähnlichen Begriffen und vermeidlich ähnlichen Konzepten aus den theistischen Religionen, wie dem Christentum, zu vermischen.

Zum Beispiel ist der buddhistische Gottesbegriff in jeder Hinsicht verschieden, von dem des Christentums. Karma ist weder ein System von Belohnung und Bestrafung, noch Schicksal. Die Silas sind keine von einer obersten Rechtsinstanz verhängten Gesetze, sondern Handlungsempfehlungen, Übungsanleitungen Buddhas zu unserem eigenen Wohle und zum Wohle der anderen. Sich nicht oder nur unvollkommen an die Silas zu halten, bedeutet nicht, ein S¨¹nder zu sein. Ursache f¨¹r unheilsames Handeln ist weder die Bosheit, oder gar "das Böse", sondern die Verblendung, die Unwissenheit hinsichtlich der eigentlichen Bestehensweise der Realität. Rezitationen von Sutren sind nicht gleichzusetzen mit Gebeten in den theistischen Traditionen. Eine Seele, die wiedergeboren wird, gibt es nicht. Leerheit ist nicht Nichts. Buddha ist kein Erlöser. Diese Aufzählung könnte noch fortgesetzt werden.

Je umfassender die Kenntnis und je tiefer das Verständnis der buddhistischen Lehre ist, desto breiter und stabiler d¨¹rfte die Grundlage f¨¹r andere Aspekte der Praxis sein. Es handelt sich also keineswegs um eine bloße intellektuelle Spielerei, der man andere Formen der Praxis, zum Beispiel die Rezitationen von Sutren, die Gabe (skt.: dana), die Meditation oder die Ethik, d.h. das alltägliche Verhalten, entgegen setzen sollte.

Selbstverständlich ist es so, dass man Kenntnis nicht mit Verständnis und Verständnis nicht mit Verwirklichung identifizieren sollte. Das gute Leben als Buddhist oder Buddhistin steht in keinem kausalen Zusammenhang zu bloßen Kenntnissen. So weist Meister Hsing Yun immer wieder darauf hin, dass wir unsere Studien in einen Zusammenhang mit anderen Aspekten des Dharma setzen sollten. Es geht also keineswegs um bloßes "Buch-Wissen", sondern zumindest um die Entwicklung eines tieferen Verständnisses der Lehre Buddhas.

Denn gerade die harmonische Verbindung der verschiedenen Elemente des Dharma, unter Ber¨¹cksichtigung der unterschiedlichen Anlagen, W¨¹nsche und Fähigkeiten der Praktizierenden, ist ein Kennzeichen der Fo-Guang-Shan Ordensgemeinschaft zu der unser Frankfurter Tempel zählt.

Ein umfassenderes Verständnis des Dharma d¨¹rfte auch direkte Auswirkungen auf die "praktische Praxis" selbst haben. Zum Beispiel auf das Verhältnis zwischen dem Sangha, im Sinne der Gemeinschaft der weiblichen und männlichen Ordinierten, und den Laien oder auf das Verständnis der spirituellen Bedeutung der materiellen Unterst¨¹tzung von buddhistischen Einrichtungen durch Laien, die als dana (Gabe) bezeichnet wird. Kenntnisse der Lehre Buddhas ermöglichen uns nicht zu letzt eine realistischere und daf¨¹r weniger selbstbezogene, auf Vorurteilen beruhende und idealisierende oder dämonisierende Sichtweise auf uns selbst und andere, zu entwickeln.

In der Studiengruppe lasen wir zunächst das Buch "Buddha. Der Lotus im Fluß. Eine Einf¨¹hrung in die Grundlagen des Buddhismus" von Meister Hsing Yun, dem Gr¨¹nder der Fo-Guang-Shan Ordensgemeinschaft. Danach beschäftigten wir uns mit einem grundlegenden Text der Tradition des Reinen Landes, dem Amitabha-Sutra. Dieses Sutra wird in unserem Tempel regelmäßig rezitiert, daher erschien es uns angebracht zu sein, uns mit der Bedeutung der Vielzahl allegorischer und symbolischer Bilder zu beschäftigen.

Daran anschließend nahmen wir uns kurz das Herz-Sutra vor, bei dem wir ebenfalls einige zentrale Begriffe wie Leerheit oder Skandhas ¨C allerdings nur oberflächlich und kurz - andiskutierten. Mit diesem Sutra werden wir uns sicherlich noch in der Zukunft ausf¨¹hrlicher auseinandersetzen wollen.

Derzeit beschäftigen wir uns mit Fragen buddhistischer Ethik. Sie gilt als Ursache und Wirkung sowohl der Entwicklung (meditativer) Konzentration, als auch der Weisheit. Dazu lesen und besprechen wir das Buch von Meister Hsing Yun "Wahrhaftig Leben. Buddhistische Ethik im Alltag". Dieses Buch steht uns auf Deutsch, Englisch und Chinesisch zur Verf¨¹gung. Moderiert wird die Studiengruppe durch Norbert Sanden.

Erfahrungen mit der Meditation können wir jeweils vor dem "Studienteil" machen. Dabei ¨¹ben wir insgesamt eine Stunde sowohl die Meditation im Sitzen (chin.: chanzuo, jap. zazen), als auch die Meditation im Gehen (chin.: jingxing, jap.: kinhin). Diese Meditationspraxis stand zunächst unter der Leitung von Dharmameisterin Man Cheh, die jedoch im Februar in den Haupttempel nach Taiwan zur¨¹ckkehrte. Nunmehr wird die Meditation von Dharmameisterin Miao Yen angeleitet.

Termin:
Die Meditation findet jeden Mittwoch von 19:00 bis 20:00 Uhr statt. Daran anschließend, von 20:15 bis 21:30 Uhr, machen wir uns in der Studiengruppe mit allem vertraut, was man ¨¹ber den (Mahayana-)Buddhismus wissen sollte.
Alle Interessierten sind sowohl zur Meditation, als auch zum Kennenlernen der Lehre Buddhas herzlich eingeladen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Es ist möglich, jederzeit in die Meditations- und Studiengruppe ein- und auszusteigen. Die regelmäßige Teilnahme ist zwar hilfreich, jedoch nicht erforderlich.

Rezitationstexte
Am Anfang der Meditation rezitieren wir gemeinsam das Herz-Sutra, am Ende die Dreifache Zufluchtnahme zu Buddha, Dharma und Sangha sowie die sogenannte "Verdienst¨¹bertragung". Die Verdienst¨¹bertragung erinnert uns daran, dass wir uns nicht aus ego-zentrierten Gr¨¹nden mit dem Chan, also der Meditation, beschäftigen sollten. Das Herz-Sutra gibt es in verschieden Übertragungen, die bei einzelnen Begriffen und Formulierungen etwas voneinander abweichen, ohne jedoch dadurch den Inhalt selbst zu verändern. Dies gilt auch f¨¹r den Wortlaut der Zuflucht oder der Verdienst¨¹bertragung.

Bemerkungen zum Herz-Sutra
Das "Herz-Sutra der Vollkommenheit der Weisheit" (Sanskrit, skt.: Mahâprajñâpâramitâhrdaya-sûtra, Chinesisch, chin.: Bo rui po luo mi duo xin jing) gilt als die Essenz der sehr umfangreichen Prajnaparamita-Sutras, also jener Texte, die die Lehren Buddhas zur Entwicklung der Weisheit darstellen.
Das wahrscheinlich in Indien im 4 Jahrhundert u.Z. entstandene Herz-Sutra stellt, ähnlich dem Diamant-Sutra, die Lehre Buddhas von der Leerheit (Shunyata) und der sie erkennenden Vollkommenen Weisheit (Prajna-Paramita) in kondensierter Form, als Essenz, dar. Daher der Name: "Herz". Dies geschieht in Form einer Unterweisung des Bodhisattva Avalokisteshvara an Shariputra, einem Sch¨¹ler Buddha Shakyamunis.
Das Herz-Sutra zählt zu den bedeutendsten Texten des Mahayana-Buddhismus und wird regelmäßig, so auch von der Fo-Guang-Shan Gemeinschaft, von Ordinierten und Laien rezitiert.

Zu den einzelnen Begriffen:
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Vollkommenheit der Weisheit: Dies ist die deutsche Übertragung des Sanskrit-Begriffs "Prajna-Paramita".
Bodhisattva (skt.), Pu Sa (chin.): Wörtlich ¨¹bersetzt bedeutet dies "Erleuchtungswesen". Im Mahayana ist dies ein Wesen, das auf der Grundlage des altruistischen Strebens nach Erleuchtung (Bodhicitta) alle Vollkommenheiten (Paramitas) verwirklich hat und diese zum Wohle aller Wesen einsetzt.
Avalokiteshvara (skt.), Kuan Yin (chin.): Unter allen Bodhisattvas ist er wohl der bekannteste und am meisten verehrte. Er gilt als Manifestation des Großen Mitgef¨¹hls (Mahakaruna).
Die F¨¹nf Skandhas (skt.) (Synonyme: Gruppen, Anhäufungen, Aggregate, Seinskonstituenten): Sie bilden zusammen die empirische Person. Dabei handelt es sich um 1. Form (Körper), 2. Empfindung, 3. Wahrnehmung, 4. Geistformationen (Synonyme: Wollen, Willenshandlungen, Geistesregungen, Bildekräfte, geistige Formkräfte, Gestaltungen, Impulse) und 5. Bewusstsein. Zum vierten Element sei eine kurze Erläuterung angef¨¹gt. Die Mehrzahl der psychischen, d.h. geistigen "Handlungen" zählen zu den Geistformationen. Sie sind durch den Geist geformt, sie werden durch den Geist hergestellt. Dazu gehören zum Beispiel Aufmerksamkeit, Freude, Gl¨¹ck, Gleichmut, Konzentration, Entschlusskraft und das Wollen. Dabei ist Wollen, also die Willenshandlung, von besonderer Bedeutung, da sie als die eigentliche und urspr¨¹ngliche Handlung gilt. Alle Skandhas sind nicht-wesenhaft (d.h. sie sind leer und ohne Selbst), sie sind unbeständig und leidvoll.
Shariputra: Ein ber¨¹hmter Sch¨¹ler Buddha Shakyamunis.
Leerheit, Shunyata (skt.), Kong (chin.): Leerheit ist die zentrale Kategorie des Buddhismus, insbesondere des Mahayana. Leerheit sollte nicht mit dem "Nichts", oder dem Nicht-Sein verwechselt werden. Leerheit bezeichnet lediglich die Abwesenheit einer inhärenten (aus sich selbst und unabhängigen) Existenzweise der Phänomene. Ihr bedingtes Entstehen und ihre Unbeständigkeit sind Kennzeichen ihrer Leerheit. Leerheit ist das Gemeinsame aller Phänomene, sie "transzendiert" das Sein und das Nicht-Sein.
Nirvana: Die wörtlichen Übersetzungen lauten "Verlöschen" oder "Verwehen". Nach Auffassung des Mahayana ist es ein Zustand im eigenen Geisteskontinuum ohne Gier, Hass und Verblendung. Daher auch ohne Leiden. Nirvana ist ein Zustand, kein Ort. Es ist der Zustand vollkommnerer Befreiung und das Ziel der buddhistischen Praxis.
Höchste Vollkommene Erleuchtung: Dies ist die Übersetzung des Sanskrit-Begriffs Anuttara Samyak Sambodhi. Es handelt sich um den höchsten Zustand, den ein Wesen erreichen kann.
Mantra: Vers oder Silbe oder eine Reihe von Versen und Silben, von denen angenommen wird, dass sie heilsame Kräfte in sich bergen, sei es aufgrund ihres Inhaltes, oder aus anderen Gr¨¹nden.
Gate gate paragate parasamgate bodhi svaha: Eine Interpretation dieses Sanskrit-Mantras könnte folgendermaßen lauten: Lasst uns dar¨¹ber hinausgehen und das (andere) Ufer des Erwachens, der vollkommenen Weisheit, der Erleuchtung, des Nirvana betreten.

 


updated: 08-Jan-2007